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Unterwegs mit Christa Linsenmaier-Wolf

Christa Linsenmaier-Wolf

Wer sich mit dem kulturellen Angebot in Fellbach beschäftigen will, kommt an Christa Linsenmaier-Wolf nicht vorbei. Als ehemalige Leiterin des städtischen Kulturamts ist sie die Ansprechpartnerin schlechthin und hat selbst für langjährige Fellbacher immer einen Geheimtipp parat.

Mehr als dreißig Jahre lang haben Sie sich für die Kulturvermittlung in Fellbach eingesetzt. Wie kam es dazu?

Nach dem Studium der Literaturwissenschaft und der Geschichte hatte ich Verschiedenes ausprobiert. Die Chance, das Fellbacher Kulturleben zu gestalten, habe ich als Glück erlebt und als Herausforderung. Die günstigen kommunalpolitischen Rahmenbedingungen habe ich genutzt, das Profil Fellbachs als Kulturstadt zu schärfen. Das ging nur mit Leidenschaft für die Sache und mit einem langen Atem.

Von der Triennale über den europäischen Kultursommer, Sie haben Kultur erlebbar gemacht. Was hat Sie zur Verwirklichung Ihrer Ideen inspiriert?

Es braucht Entdeckerfreude. Man muss offen sein für Neues und darf sich nicht auf Lorbeeren ausruhen. Mein Anspruch war, in allen künstlerischen Bereichen starke Akzente zu setzen. Ideen schöpft man aus der eigenen Beschäftigung mit Kunst und Kultur und der Begegnung mit Kulturschaffenden. Dann aber kommt es darauf an, diese Ideen im konkreten lokalen Umfeld umzusetzen, mit Überzeugungskraft und ganz vielen Partnern vor Ort. Beim Europäischen Kultursommer 2017 zum Beispiel haben wir mit zwei Fellbacher Chören und tollen Solisten in der Alten Kelter das Oratorium „Axion Esti“ von Mikis Theodorakis realisiert.

Es braucht Entdeckerfreude. Man muss offen sein für Neues und darf sich nicht auf Lorbeeren ausruhen.

– Christa Linsenmaier-Wolf –

Was bedeutet Kulturvermittlung für Sie persönlich?

„Den Kreis der Kenner zu erweitern“ – heißt es bei Brecht. Für mich war und ist es wichtig, Menschen für kulturelle Erfahrungen zu gewinnen. Zum Beispiel an attraktiven Orten, durch Begegnungen mit Künstlern, durch Beteiligung. An einer Ringlesung von Mörikes „Stuttgarter Hutzelmännlein“ im Stadtmuseum etwa wollten so viele Leute teilnehmen, dass wir den Ansturm kaum bewältigen konnten. Oder die flächendeckende Aktion mit „Lyrik in Läden“ bei den baden-württembergischen Literaturtagen 2002. Damals war die Stadt ein einziges Lesefest, an dem alle teilnahmen. Auch die Zusammenarbeit mit den Schulen war fester Bestandteil unserer Arbeit. Unseren originellen Trailer zur Triennale 2013 („Utopie beginnt im Kleinen“) haben Studierende erarbeitet. Später wurde er in „Miniaturstadt Fellbach“ umbenannt und fürs Stadtmarketing verwendet. Oder Triennale-Führungen für alle Zielgruppen bis hin zu Geflüchteten – ein gelungenes Experiment. Lesungen auf dem Alten Friedhof habe ich erst jüngst als KGF-Vorsitzende initiiert. Man muss die eigene Begeisterung weitergeben. Das ist mir, glaube ich, gut geglückt.

Was waren besonders bereichernde Momente im Laufe Ihrer Karriere?

Das waren so unendlich viele, dass es mir schwerfällt, auszuwählen. Wichtige Etappen waren für mich die Rückführung der Triennale in die Alte Kelter im Jahr 2001 und die Neukonzeption des Stadtmuseums, in dem der Fellbacher Spirit geistig-sinnlich erlebbar wird – die erstaunliche Symbiose von dörflicher Tradition und weltoffen gelebter Moderne. Magische Momente erlebte ich immer wieder beim Europäischen Kultursommer – sei es mit dem Ballettabend „Amores 1“ den der noch junge, heute weltweit renommierte Christian Spuck 1998 für uns entwickelte, sei es der überwältigende Auftritt der französischen Straßentheatercompagnie Transe Express im Park der Schwabenlandhalle, sei es der Arvo-Pärt-Abend in der ausverkauften Alten Kelter 2014 und und und. Auch der große Hölderlinabend, den ich Corona 2021 abtrotzte, war für mich ein Gänsehaut-Erlebnis.

Mir waren auch stets die politischen und sozialen Aspekte von Kulturarbeit wichtig.

Ist beim Fellbacher Kulturprogramm für jeden etwas dabei?

Unbedingt: für alle Generationen, für alle Geldbeutel (auch das ist wichtig), in allen künstlerischen Feldern. Toll ist auch die Bandbreite an ehrenamtlichem Engagement, das es zu pflegen gilt. „Fellbach, wie es singt und klingt“ habe ich deshalb eine Station im Stadtmuseum genannt. Mir waren auch stets die politischen und sozialen Aspekte von Kulturarbeit wichtig.

Ganz besonders lag mir FLUMI am Herzen, die Fellbacher Lese- und Mentoren-Initiative. Dass seit dem Jahr 2005 rund 100 teils wechselnde Mentorinnen und Mentoren nachhaltig und mit messbarem Erfolg Kindern Lesekompetenz und Selbstvertrauen vermitteln, ist eine besondere Fellbacher Erfolgsgeschichte, die hoffentlich nach Corona fortgesetzt wird.

Fellbacher Kultur vor 20 Jahren und heute: Welche Entwicklungen konnten Sie wahrnehmen?

Die Kultur ist in immer mehr Lebensbereiche eingesickert. Das Interesse des Publikums nahm kontinuierlich zu, die Horizonte wurden stetig erweitert.

Saisonhighlights: Lieblingsveranstaltungen im Frühling, Sommer, Herbst und Winter?

Nicht einfach. Vielleicht so: Im Frühling war es einmal die legendäre Reihe „Im grünen Salon. Literatur und Musik im Gewächshaus“. Die gibt es leider nicht mehr, weil die Gärtnerei nicht mehr existiert. Im Sommer ein Besuch des „Fellbacher Sommernachtskinos“ – auch auf dem Freisitz des Weinguts Heid ist es schön. Herbstzeit ist „Lese-Zeit“ in doppelter Hinsicht, und im Winter sollte man die „Fellbacher Rathauskonzerte“ nicht verpassen und natürlich Theater-Highlights in der Schwabenlandhalle.

Unter uns: Fellbachs kultureller Geheimtipp?

Das Mörike-Kabinett im Stadtmuseum ist ein Juwel mit seiner Fülle an Informationen und ein sinnliches Erlebnis. Es verortet den Dichter in Fellbach und erzählt viel über ihn. Ansonsten will ich auch die Angebote der Kulturgemeinschaft Fellbach nicht verschweigen.

Wochenende in Fellbach: Hier wird man Christa Linsenmaier-Wolf höchstwahrscheinlich antreffen

Ich packe jetzt mehr hinein als eigentlich geht:

 

Samstag früh nach ausgiebiger Lektüre der Fellbacher Zeitung Einkauf von reichlich Gemüse und Obst bei Familie Heß in der Wilhelmstraße; beim kleinen Italiener gegenüber gibt es leckeres Brot und Käse. Etwas Haus- und Gartenarbeit, dann vielleicht ein Gang über den Kappelberg oder ein Besuch im F3 in der Hoffnung, eine freie Bahn zum Schwimmen zu finden.

Mittags könnte man, wenn ein besonderer Tag ist, in „Aldingers Restaurant“ einkehren, das früher mal „Germania“ hieß und die weltweit besten Bratkartoffeln hat. Nachmittags schaue ich vielleicht im weltweit schönsten Stadtmuseum vorbei, um einen Besuch bei Herrn Mörike zu machen. Auch die Sonderausstellungen von Ursula Teutrine sind spitze.

Abends besuchen wir, zum Beispiel am 7. Mai, den Auftakt der Reihe „Saitenspiel“ in der wunderschönen Dionysiuskirche in Schmiden, einem baulichen Juwel. Der Abend klingt zusammen mit dem Künstler Ferenc Snétberger im „Schnitzbiegel“ aus.

 

Am Sonntag wollen wir den Sonnenaufgang beim Besinnungsort „Zeit“ von Inge Mahn auf dem Besinnungsweg genießen. Wenn wir schon dort sind, wandern wir weiter an Timm Ulrichs genialer Erfindung des „Roten Hauses“ vorbei zu meinem Lieblingsort „Schöpfung“, für den ich einst den israelischen Künstler Micha Ullman gewinnen konnte. Anschließend bei Bedarf ein Schuhkauf bei Schuh-Bürkle in Schmiden und Einkehr im „Stadio Ristorante“, wo es super-leckere italienische Speisen zu erschwinglichen Preisen gibt.

Nach einer kleinen Siesta schwinge ich mich aufs Rad und statte dem Kleinfeldfriedhof einen Besuch ab. Auf dem Grab meiner lieben Eltern ist etwas Unkraut gewachsen. Einer meiner Lieblingsorte in Fellbach ist der Alte Friedhof, der in das Ensemble beim Rathaus integriert wurde. An einem „Lazy Sunday Afternoon“ kann man dort auf einer Bank sitzend ein Buch lesen, das man in der Stadtbücherei geliehen oder bei Bücher-Lack gekauft hat. Ab und an betrachte ich die Grabsteine, die Bäume oder schaue den Eichhörnchen zu. Immer wieder die Geräusche der Straßenbahn. Ob man sich ein Eis gönnen soll? Ich bevorzuge nach wie vor die „Marmolada-Eisdiele“.

Am Abend klingt der Sonntag im Konzertsaal der Musikschule aus – damals beim Kultursommer 2017 zum Beispiel mit dem grandiosen Stefano Bollani am Klavier oder am 11. Juni 2022 mit „Liedern vom Mittelmeer“ und der Sopranistin Maria Palaska, die aus Griechenland stammt, aber in Fellbach lebt und damit die Vielfalt unserer Stadt aufs Schönste verkörpert.  

Kulturgemeinschaft Fellbach

Christa Linsenmeier-Wolf ist 1. Vorsitzende der Kulturgemeinschaft Fellbach. Zum vielfältigen Programm des Vereins geht es hier: Veranstaltungskalender